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Die Erfindung der Hausfrau

 

Kaum eine liebt sie wirklich, aber gemacht werden muss sie trotzdem: die Hausarbeit. Und irgendwie fühlen wir uns Frauen ja auch dafür verantwortlich, oder können es halt einfach besser, oder stellen uns geschickter an. Halbe/halbe wär zwar schön, aber mehr als ein Mithelfen und ein Müll raustragen wird von männlichen Partnern oft nicht eingelöst. Zur Krönung werden wir dann einmal im Jahr am Muttertag dafür gelobt, dass wir einen Großteil unserer Freizeit für das gemeinsame Heim opfern. War das immer schon so? Nein. Die Hausfrau wie wir sie kennen, gibt es erst seit etwas mehr als 100 Jahren.

Was macht eine Hausfrau?

Eine Hausfrau ist in unseren Breitenkreisen (Europa, Nordamerika) gewöhnlich eine Frau, die aufgrund des guten Verdienstes ihres Partners nicht erwerbstätig ist, und daher

  • ausschließlich für die Arbeiten im Haushalt zuständig ist (Putzen, Waschen, Kochen, Einkäufe),
  • das Familienleben organisiert (Planung diverser Feste und Feiern, Chauffieren der Kinder, Hausaufgabenkontrolle, Organisation der Freizeitaktivitäten, etc.),
  • den Garten und jegliche Pflanzen mitbetreut,
  • sämtliche zu pflegende Angehörige betreut (eigene Kinder, pflegebedürftige Eltern/Schwiegereltern) und
  • sich um die Dekoration des Wohndomizils kümmert (abhängig von den Jahreszeiten).

Das ist recht viel und da fehlt sicher noch einiges, aber was auch noch oft von Hausfrauen übernommen wird sind ehrenamtliche Tätigkeiten wie

  • Mitarbeit beim Elternverein,
  • Wohltätigkeitsangelegenheiten,
  • Frauenbewegung,
  • "Tischmutter" für die Erstkommunion,
  • Mehlspeisen für Dorffeste backen,
  • Betreuung der Ortsbücherei etc.

Das Label Hausfrau kommt auch sehr oft mit dem Zusatz "und Mutter" daher.

 

Hausfrauen ohne Kinder geraten leicht in Verruf unterbeschäftigt zu sein, Hausfrauen mit Kindern ereilt der Vorwurf nur zu Hause zu sein. Die Hausfrau ohne Partner ist aber keine Hausfrau. Sorgt kein Mann für das Familieneinkommen, ist von einer Alleinerzieherin die Rede (egal ob diese erwerbstätig ist oder nicht) oder von einer Arbeitslosen.

Die unsichtbare Hausarbeit

Geht eine Frau, die alle die oben genannten Tätigkeiten verrichtet, einer Erwerbsarbeit nach, ist sie keine Hausfrau mehr, sondern entweder eine beruftstätige Frau, eine Karrierefrau oder eine Rabenmutter. Just in dem Moment, in dem ein Gehaltszettel mit im Spiel ist, wird die Hausarbeit noch ein Stückchen unsichtbarer, als sie es ohnehin für den Partner schon ist. (Erledigt wird sie ja meist in der Abwesenheit anderer.) Gemacht werden muss sie trotzdem.

Auch wenn Männer und Frauen alleine wohnen (und daher vermutlich berufstätig sind - muss aber nicht sein), wird Hausarbeit verrichtet. Trotzdem wird hier nicht von Hausmännern oder Hausfrauen gesprochen. Hausarbeit ist gar kein Thema. 

 

Haben Frauen das Pensionsalter erreicht und waren Zeitlebens Hausfrauen, so sind sie fortan Seniorinnen oder Pensionistinnen, oder einfach alte Frauen. Fragt mensch sie nach früher, sagen sie: "Ich war immer daheim, ich hab nie gearbeitet." Die Hausarbeit machen sie aber immer noch, egal ob sie alleine leben oder mit Partner.

 

Erreichen Männer das Pensionsalter und verstirbt oder verlässt sie ihre Partnerin, kommt meist eine weibliche Verwandte oder eine bezahlte Kraft, die die Hausarbeit verrichtet.

 

Solange Hausarbeit unbezahlt erledigt wird, bleibt sie unsichtbar.

 

Egal wie groß und vielfältig das Ausmaß der Hausarbeit sein mag, sie gilt nicht als "richtige" Arbeit, solange sie nicht bezahlt wird.

 

Werden Haushaltstätigkeiten bezahlt (Reinigungskraft), so wird die Person, die dieser Arbeit nachgeht durch die Tätigkeit abgewertet. 

 

Zur Hausfrau wird die, die Hausarbeit für einen Mann verrichtet, ohne dass dieser ebenfalls Hausarbeit für sie verrichtet. (Die Mutter, die dem Sohn Essenspakete fürs Studentenheim schnürt. Die Partnerin, die dem Mann die Hemden bügelt. Die Tochter, die dem alleinlebenden Vater die Wohnung putzt. etc.)

Hausfrau, Gattin, Mutter - erst seit Ende des 18. Jahrhunderts

Es klingt seltsam, aber alles was wir der Hausarbeit heute zuordnen (typische Frauenarbeit, bestimmte Tätigkeiten, Mutterrolle) hat sich erst vor ein paar hundert Jahren entwickelt. Vor dem 18. Jahrhundert hat es Hausarbeit in dieser Form nicht gegeben. Die natürliche Bestimmung der Frau als Mutter am heimischen Herd ist eine Erfindung des Bürgertums. Sowohl die Tätigkeiten als auch die "Charakterzüge" der "typischen Frauen" waren vor dem 17. Jahrhundert noch ganz andere und wurden anders bewertet. Aber fangen wir mal von vorne an:

Jede Form von Arbeit war gleich wichtig

In der alten Gesellschaft gab es noch keine Erwerbsarbeit. Das Arbeiten außer Haus (in Fabriken etc.) kam erst mit dem Zeitalter der Industrialisierung. Davor herrschte Familienwirtschaft. Egal ob es sich um eine Bauersfamilie handelte oder eine Handwerksfamilie, der ganze Hausstaat arbeitete mit - im Haus und außer Haus. Eheleute, Kinder, Knechte, Mägde, Hausdiener, Gesellen - jede und jeder hatte seine eigenen Aufgaben und leistete seinen/ihren Beitrag zur "Wirtschaft des ganzen Hauses".

 

Männer und Frauen hatten dabei unterschiedliche Tätigkeiten, die sich ergänzten. Es gab aber keine Unterscheidung zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit. Die Arbeitsaufgaben der Frauen waren unverzichtbar. "Keine Frau, keine Kühe, keine Milch, kein Käse, kein Geflügel, keine Eier" hieß die einfache Rechnung. Frauen arbeiteten auf dem Feld, verkauften Waren auf Märkten, produzierten Textilien, Kerzen, Seifen, etc.

 

Eine besonders wichtige Aufgabe der Frauen war das Sparen und Aufbewahren - und zwar ebenso wichtig, wie das Verdienen von Geld. Beides machte sich auf der Kostenseite bemerkbar. Der Mangel gehörte zum Alltag, deshalb musste beispielsweise auf die Wäsche, die nur sehr selten gewaschen wurde, besonders geachtet werden, damit sie nicht zu schimmeln beginnt oder von Mäusen  und Motten zernagt wird. Ähnliches galt für das Kochen. Auch hier musste gespart werden und trotzdem der ganze Haushalt mit allen Gesellen so durchgefüttert werden, damit gestärkt gearbeitet werden konnte.

 

Ährenlesen, Holzsammeln aber auch (Holz-)Diebstahl - alles was die Familie ernährte (egal ob rechtmäßig erworben, verdient, produziert oder geklaut), war willkommen. Im Zentrum der Familienwirtschaft stand das gemeinsame Überleben, nicht die Arbeit selbst. Und deshalb hätte eine unterschiedliche Wertigkeit von bezahlter oder unbezahlter Arbeit auch wenig Sinn gemacht.

Kochen & Putzen? Wie und wozu?

In den Familien der städtischen und ländlichen Unterschicht spielte "Hausarbeit" wie Kochen und Putzen eine sehr untergeordnete Rolle. Kochen ist eine eher übertriebene Bezeichnung für das, was tatsächlich gegessen wurde: Brotsuppen und Grützen, die es vor allem kalt gab, um Feuerholz zu sparen. Es wurde hauptsächlich Getreide auf einfachste Weise verarbeitet, was nicht gerade auf eine Gourmet-Küche schließen lässt.

 

Aufräumen oder Putzen, war ebenfalls etwas, das im Leben dieser Menschen kaum eine Rolle spielte. Die meisten wohnten sehr beengt. Werkstatt, Schlafraum, Kochstelle waren oft ein Zimmer, in dem auch noch allerhand Leute des Haushalts schliefen. Zusätzlich machten die nicht gerade ausgeprägten Hygienevorstellungen dieser Zeit Putzarbeit mehr oder weniger überflüssig. Um die Räume reinzuhalten, wurden die Tiere aus den bewohnten Zimmern gescheucht und maximal der Boden gekehrt.

 

Privatbereich gab es in diesem Sinne nicht. Schlaf- und Arbeitsraum waren nur ein "Dach über dem Kopf". Außer einem Bett gab es kaum weitere Möbel. Die Trennung der Wohnbereiche entwickelte sich erst viel später und damit dann auch die Anschaffung von eigenen materiellen Dingen und Reinlichkeitsvorstellungen. Kochen und Putzen hatte damit einen ganz anderen Stellenwert als heute.

Kinderstube? Fehlanzeige

Was die Hausfrau heute so macht, wenn sie sagt, sie sei "zu Hause", heißt im Klartext: Kinderbetreuung. Davon konnte vor dem 18. Jahrhundert nicht wirklich die Rede sein. Kindheit gab es nicht. Die entwickelte sich erst mit der Herausbildung des Bürgertums und den Vorstellungen von Privatsphäre, der Rolle der Frau als sensibles Heimchen am Herd und der Pädagogik. Und Anfangs gab es diese "neuen Ideen" ohne hin nur für eine ganz bestimmte Schicht von Leuten. Für die Mehrheit galt auch dann noch:

 

Sobald die Kinder gehen konnten, mussten sie Arbeiten verrichten. Waren sie noch kleiner, wurden sie von Kopf bis Fuß eingewickelt, damit sie sich nicht bewegen konnten. Dadurch konnte man sie stundenlang allein lassen, weil sie sich ohnehin nicht bewegen konnten. Teils wurden sie auch an Haken an der Wand aufgehängt (in ihrem Wickel), damit sie nicht von Ratten angefressen wurden. Die, die es sich leisten konnten, schickten die kleinen Kinder zu einer Amme, damit sie gestillt werden, aber Aufgabe der Mutter war das nicht unbedingt.

 

Der Umgang mit Kindern war nicht wirklich zimperlich. Durch die schlechten Hygienezustände war die Säuglingssterblichkeit recht hoch, Schwangerschaften häufig und Kinder vor allem Arbeitskräfte. Bei Hungersnöten wurden Kinder auch häufig ausgesetzt. Im Mittelpunkt von Märchen, die wir aus unserer eigenen Kindheit kennen oder auch in Klassikern wie Oliver Twist stehen oft solche Waisenkinder im Mittelpunkt. Kindheit gab es nicht. Pädagogische Konzepte schon gar nicht. Kinder waren einfach nur kleine Erwachsene - und Frauen damit auch nur Menschen, die Kinder gebaren, aber keine "richtigen" Mütter, wie wir sie heute sehen. (Hier geht's zum Artikel "Die Mutter" hat es nie gegeben.)

Das goldene Hausfrauenzeitalter und seine Nachwehen

Das Leitbild der bürgerlichen Kleinfamilie, in der der Mann außer Haus arbeitet und die Frau zu Hause Herd und Kinder hütet, verallgemeinert sich im 19. Jahrhundert trotzdem langsam zum Leitbild - auch für die Arbeiterschicht. Trotzdem entsprach es noch kaum der Realität, und am Land schon gar nicht.


Wirklich durchgesetzt in allen Schichten der westlichen Bevölkerung hat sich das Alleinverdienermodell mit der Hausfrau und den Kindern nur nach dem Zweiten Weltkrieg in den 1950ern und 1960ern. Hilfreich war dabei auch die zunehmende Mechanisierung des Haushalts, die ja schon 100 Jahre zuvor begonnen hatte. In den 1860ern gab es schon 2000 Patentanmeldungen für Waschmaschinen. Aber die konnten sich nur die Reichsten leisten. (Und bei der reicheren Schicht erledigten viele Hausarbeiten ohnehin Dienstmädchen, Wäscherinnen, Näherinnen usw.) Mit der Zeit des Wirtschaftswunders änderte sich das allerdings und der Haushalt wurde mit zahlreichen Gerätschaften aufgestockt.

In Mitteleuropa hat vor allem der Nationalsozialismus mit seiner Mutterschaftsideologie tiefe Spuren hinterlassen, sodass heute noch das Hausfrauenzeitalter hochgehalten wird, als hätte es schon immer existiert und nicht nur 20 Jahre lang. 

 

Mit den 70ern begann das Bild der Kleinfamilie ohnehin schon wieder zu bröckeln. Die "wilden 68er" rüttelten an Ehe und Monogamie, Kinderbetreuung wurde auch wieder außerhalb des Familienverbands gedacht und neue Beziehungsformen sprießen seither wie Pilze aus dem Boden.

Was ist uns geblieben von der Erfindung der Hausfrau in der kleinbürgerlichen Familie?

  • Frauen übernehmen heute nach wie vor die meiste Fürsorge- und Hausarbeit
  • Männer helfen meist nur mit
  • wenn die Hausarbeit von der Partnerin nicht verrichtet werden kann, wird sie an eine andere Frau (möglicherweise eine Migrantin) ausgelagert
  • Teilzeitstellen für Frauen, um alle Anforderungen unter einen Hut zu bringen

Die Ernährung der gesamten Personen, die im Haushalt leben, steht heute nicht mehr so im Mittelpunkt wie vor 300 Jahren. Natürlich brauchen wir zu essen, aber wir gestalten auch unsere Wohnungen und Häuser, wollen auf Urlaub fahren, als Familien etwas unternehmen, Jobs haben, die uns Spaß machen, ein neues schickes Auto kaufen oder mal was Neues zum Anziehen - Arbeit hat viele Nebeneffekte. Es geht schon längst nicht mehr nur um die Grundbedürfnisse.

 

Und dabei muss noch immer gekocht, gewaschen und geputzt werden. Und die Kinder wickeln wir Gott sei Dank auch nicht mehr von Kopf bis Fuß ein, sondern kümmern uns liebevoll um sie und wollen nur das Beste. Bloß ein Einkommen reicht da selten, und die Wertschätzung für die ausschließliche Haushaltsführung lässt gesellschaftlich zu wünschen übrig. Hausfrau-sein als ausschließliche Arbeit wird öffentlich eher als Privatvergnügen und Beschäftigungstherapie angesehen. Der Aufwand, der dahinter steckt, ist ohnehin nur den Ausführenden bekannt. Weil sichtbar wird die Hausarbeit nur, wenn sie nicht gemacht ist.



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